Die Fähigkeit des Loslassens neu entdecken

Das Westernreiten zeichnet sich dadurch aus, dass wir loslassen: uns, unseren Körper, die Zügel, das Pferd, das Lasso.

Und doch fällt uns dieser Schritt zunehmend besonders schwer. Woran liegt das? Haben wir soviel an Körperbewusstsein verloren, dass wir ihm nicht mehr vertrauen können? Oder ist die Ursache an einer ganz anderen Stelle zu finden? Ich glaube "JA"!

Wer nicht loslassen kann, um Dinge geschehen zu lassen hat einen übermäßig aktiven Geist. Je mehr unsere Gedanken uns beherrschen, desto mehr Kontrolle wollen diese haben. Im Zeitalter der Selbstoptimierung entfaltet sich dieses Problem in besonderer Weise und findet dort seinen Nährboden. Wir geben uns nicht mehr ein in den Fluss des Lebens, sondern wollen ihn beherrschen und kontrollieren. Ein sehr erschöpfendes Unterfangen, das sich in ganz vielen vegetativen Störungen bemerkbar macht. 

Kehren wir aber zurück zu dem Thema Westernreiten.

Ein gut ausgebildetes Westernpferd übernimmt ab dem Moment der Richtungs- und Tempovorgabe die Führung. Ein gutes Westernpferd macht zu 80% den Job alleine, der da heißt: in diese Richtung, in diesem Tempo. Unser Pferd weiß selbst, wie es seine vier Beine einzusetzen hat. Aber auch da versuchen wir zu kontrollieren und zu beherrschen, als ob wir wüssten, wie man auf vier Beinen durch die Halle galoppiert.

Als junger Mensch - kaum auf der Welt - versuchen wir uns aufzurichten, um auf zwei Beinen gehen zu lernen. Mit den Jahren werden unsere Bewegungen zu automatisierten Prozessen, die in den Gedächtniszellen der Muskulatur und der Nervenwurzeln gespeichert sind. Wir verlassen uns im Erwachsenenalter darauf, dass diese Fähigkeit uns wie von Zauberhand von "A" nach "B" trägt, mal schnell, mal langsam ohne umzufallen. Wir schenken dieser Fähigkeit keine Beachtung, sondern beschäftigen uns zunehmend mit unseren Gedanken und deren Fähigkeiten. 

Westernreiten aber auch andere Arten, die Beweglichkeit erhalten und trainieren wie z.B. Bogenschießen, Golf, oder Yoga gehören zu den Arten, die uns erlauben in jeder Altersstufe unseren Körper zu kräftigen, zu nähren und ihm eine Aufgabe zukommen zu lassen, die dem Bewusstsein zugeordnet werden kann und die kognitiven Fähigkeiten steigert.

Die Chance des Westernreitens besteht aus der Sicht einer Ayurveda-Medizinerin und Trainerin darin, dass Körper und Geist wieder in Kommunikation zueinander treten und die Energien in beide Richtungen fließen lässt. Energie rein aus dem Geist generiert endet in Anspannung. Energie aus dem Körper generiert endet in Entspannung. Entspannung ist die Fähigkeit des Körpers, sich seiner Fähigkeiten und Kraft bewusst zu sein, und diese gezielt einzusetzen.

Der Geist sendet eine Information aus, die sich darauf beschränkt die Richtung und das Tempo vorzugeben und den Körper machen zu lassen. Die Energie fließt von oben nach unten und stabilisiert unsere Lebenskraft. Wir erzeugen in unserem Geist Leben, das im Körper in Kraft umgesetzt wird.

Zu Ende gedacht bedeutet das für das Westernreiten, dass wir die Rolle der geistigen Energie liefern, die das Pferd in Kraft umsetzt.

Das Kleine, wie im Großen - eine Fibonacci Folge par excellence. Die perfekte Arbeitsteilung - ein evolutionärer Gedanke findet seine Fortsetzung im Westernreiten.

Viel Freude damit!
Gabriele Oppermann


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