Intelligenter Umgang mit dem Pferd

Ich habe keine Ahnung, wie viel Freizeitreiter es gibt. Aber es gibt zu viele, mit keinem oder wenig Wissen über Pferde. Sie haben es so lange nicht nötig sich Wissen an zueignen, bis sie vor einem Problem stehen und dann muss ganz schnell ein Trainer her.

Nach welchen Kriterien Trainer ausgesucht werden, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur ganz sicher, dass die Trainer in der Regel, nicht nach ihren Erfahrungen ausgesucht werden, sondern nach einem Versprechen, das in der zweiten oder dritten Phase gar nicht gehalten werden kann.

Im Vordergrund steht für mich stets die Gesunderhaltung des Pferdes, keine Effekte. Die Effekte sind Modeerscheinungen. Sie sind all die Jahre gekommen und wieder verschwunden, weil irgendjemand eine neue allumfassende Idee auf den Markt geschmissen hat, die nur bei genauer Betrachtung tatsächlich mit dem Wohlergehen des Pferdes einherging.

Ich persönlich finde, dass diese gesammelten Werke, unnützer Tätigkeiten und Pferdeartikel allmählich wieder verschwinden sollten, da sie meistens nur den Müllberg vergrößern, der irgendwann einmal zu einer Bedrohung für uns Menschen werden wird und Zeit raubt, die wir vielleicht auch in andere Dinge investieren könnten.

Fangen wir mit den Taten an. Ich brauche nicht mein Pferd aus dem Stall ziehen, wenn der Stallbesuch eigentlich einem Eventcharakter gleich kommt. Das Kümmern um das Pferd, sollte auf das Bedürfnis des Pferdes abgestimmt sein und man sollte sich in dieser Zeit auch auf das Pferd konzentrieren, sonst könnte man es theoretisch auch einfach im Stall stehen lassen.

Ein Pferd im Offenstall mit ausreichend Nahrung und Artgenossen, benötigt uns eigentlich gar nicht. Das Reiten und der Umgang mit dem Pferd, hat - wie schon so oft erwähnt - etwas mit unserem Bedürfnis zu tun.

Mit einem Pferd spazieren zu gehen, das im Offenstall steht, macht nur dann Sinn, wenn man es grasen lässt (wenn es zu dünn ist) oder wenn wir ihm die ganzen Furchteinlösenden Dinge zeigen wollen, die einem so begegnen können. Alles andere hat wieder mit uns zu tun, nicht mit dem Pferd.

Die Arbeit am Boden sollte sich darauf konzentrieren, das Pferd zu korrigieren oder es auf den Reiter vorzubereiten. Eine Korrektur dauert in der Regel 10 min ca 5x angewendet, dann ist aber auch gut. Stundenlanges korrigieren sorgt dafür, dass eine neue Korrektur von Nöten sein wird, entstanden aus der zu langen Fehlbelastung der vorausgegangenen Korrektur.

Viel weniger Zeit wird dafür verwendet zu schauen, ob die Ausrüstung richtig angepasst ist. Die Frage nach dem "nichtpassenden" Sattel, kommt vor der Frage "Habe ich den Gurt richtig verschnallt", "bildet die Sattelunterlage keine Falten". Aus Angst, dass der Sattel rutscht, schnüren wir dem Pferd die Lunge zusammen - sein wichtigstes Organ.

Letztens bekam ich ein Pferd vorgeführt, dass am Gurtverlauf ein Hämatom bekommen hatte. Der Reiter hielt das Hämatom für eine Reaktion auf einen Stich.

Reiter bohren ihre Fußspitzen beim Aufsteigen in die Rippen der Pferde. Bleibt es irgendwann nicht mehr stehen, wird das Pferd dafür verantwortlich gemacht.

Das langsame und vorsichtige Aufsteigen, macht die Pferd kirre. Sie müssen viel zu lange versuchen das Gleichgewicht zu halten. Wer einen jungen, noch rohen Araber bestiegen, hat, kennt die Reaktion.

Statt auf diese Dinge zu achten, wird geschaut, wie schön das Pferd den Kopf trägt.

Jean Claude Dysli sagte einmal treffend auf einer Messe:"Die Position des Pferdekopfes ist eine Modeerscheinung, die sich ständig ändert. Die Korrektur der Kopfposition ist eine rein kosmetische"....sehr schön beschrieben.

Egal wohin ich schaue, die Pferde werden fast nur noch unter Dauerspannung geritten, egal ob mit Wassertrense, blanker Kandare, Knotenhalfter. Ich würde mich mal gerne auf so ein überspanntes Pferd setzen und schauen, ob es überhaupt noch in der Lage ist, Schub zu entwickeln.

Dann sehe ich wieder Pferde, die mit weggedrücktem Rücken auf der Vorhand latschen oder die, die auf der Vorhand latschen und auf dem Gebiss rumlümmeln. All das ist ein Produkt unserer modernen Zeit, Hauptsache der Kopf ist in der gewünschten und genormten Position - unserem Zeitgeist entsprechend.

Intelligenter Umgang bedeutet für mich auch, zu schauen, wen ich vor mir habe, kurze Wege mit viel Effizienz sind wichtig für das Pferd, damit es nicht zu früh oder sogar gar nicht auf dem Schlachthof landet.

Jedes Pferd ist anders und jedes Pferd hat das Recht dazu, von uns Willkommen geheißen zu werden. Das ist schon mal die simpelste Aufgabe von allen. Jedes Lebewesen ist einzigartig und muss als solches wahrgenommen werden. Jedes Lebewesen sendet Signale aus, um sich verständlich zu machen und wir müssen lernen sie zu verstehen, denn wenn wir sie verstehen, finden wir auch Lösungen.

Signale, die heute unbedeutend erscheinen, können morgen zu einem riesigen Ballon werden, der einfach explodiert.

Jemand, der nicht die Bereitschaft zeigt, etwas zu verstehen, hat nicht nur seinem Autopiloten die Regie überlassen, er kann auch keine Lösung anbieten, die dem Signalgeber gerecht wird. Es wird nur eine Lösung angeboten, die den äußeren Makel beseitigt und eine kaschierende Funktion übernimmt.

Ich mache das an einem Beispiel fest: Ein Pferd will beim Aufsteigen nicht mehr stehen bleiben :-))
Anstatt zu überprüfen, ob ich einen Fehler mache, wird dem Pferd gedroht. Man bringt es in eine ungünstige Position, die da heißt "Mach dich für mich klein". "Ich weiß zwar nicht, was du von mir willst, aber ich will jetzt da rauf und zwar sofort".

Wir haben vergessen, dass das mal alles ganz gut lief, wie so Vieles , was wir vergessen mit den Jahren der Routine.

Routine ist die Faulheit pur in unseren Köpfen. Wir benötigen sie für den Alltag. Beim Pferd sind jedoch wachsame, intelligente Lösungen gefragt. Jede Lösung muss stets überdacht und korrigiert werden - in unserem Gehirn- damit wir anderen Lebewesen weder physisch noch psychisch Schaden zufügen.

Das ist das Mindeste, was ich von einem Trainer erwarte. Egal, ob er Reitlehrer, Golflehrer, Segellehrer oder Lehrer an der Schule ist.

Das Leben erleben wir in 3D, gehen aber gerne eindimensionalen Wegen nach. Das ist weder intelligent, noch schafft es eine vernünftige Lösung eines Problems, wobei unreflektierte Lösungen und Probleme meist nicht auf derselben Ebene zu finden sind.




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